
Lage: Dorfstraße 104 – Wachbach

Alfred im Arm und dem Sohn Julius und der Tochter Rosa.

Die Viehhändlerfamilie Strauß lebte in der Hauptstraße (heute Dorfstraße) in Wachbach. Sie besaß dort ein Wohnhaus mit einem Stall. In den 1930er Jahren hatte Familie Strauß einen von fünf Telefonanschlüssen in Wachbach. Rudolf Strauß, geboren am 17.8.1868 in Wachbach, heiratete 1899 Betty Schönberger, geboren am 6.1.1875 in Ermreuth. Sie bekamen drei Kinder, Julius (27.5.1901), Rosa (3.8.1903) und Alfred (31.12.1905). Rudolf starb 1935 und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Unterbalbach begraben. Sein Grab ist erhalten.

Haus und Grundstück musste (?) Betty 1941 für 4000 bzw. 5000 Reichsmark (unterschiedliche Angaben in den Quellen) an die Gemeinde Wachbach verkaufen, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Das Haus wurde in den 1950er Jahren abgebrochen. Im jüdischen Museum Creglingen ist ein kleines Teeservice erhalten, das Betty Strauß als Dank für kleine Dienste einer Wachbacher Familie geschenkt hatte, angeblich mit den Worten „Mitnehmen dürften sie ja eh nichts.“.
Betty wurde am 22.8.1942 von Stuttgart nach Theresienstadt und von dort aus am 26.9.1942 ins Vernichtungslager Treblinka deportiert. Das genaue Todesdatum ist nicht bekannt.
Für die Familie Strauß brachen sicherlich schwierige Zeiten an, als 1933 erste Einschränkungen für jüdische Viehhändler erlassen wurden. Nach der Reichspogromnacht im Jahr 1938 besiegelte die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben“ das Ende ihres beruflichen Lebens in Deutschland.
Julius Strauß war wie sein Vater Viehhändler. Von ihm wird erzählt, dass er ein Motorrad (Ardie 500) besaß, mit dem er manchmal Jungen mit nach Mergentheim mitnahm. Julius floh Ende 1938 nach Amerika, wo er 1943 heiratete und zwei Kinder bekam. Er starb 1985.

Tochter Rosa heiratete 1934 Julius Schönberger und zog mit ihm nach Erlangen. Auch sie flohen mit ihrem Sohn Erich aus Deutschland 1940 über England nach USA. Nach Berichten einer Enkeltochter bat Rosa ihre Mutter Betty inständig, doch erfolglos, mitzukommen. Rosa starb 1989.
Alfred ging schon als junger Mann zum Arbeiten in die Schweiz und nach Berlin, wo er seine spätere Frau Regina Kesten kennenlernte und 1933 heiratete. Die beiden zogen noch im selben Jahr nach Antwerpen (Belgien), von wo aus sie 1940, im Jahr der Besetzung Belgiens durch die Wehrmacht, nach Frankreich weiterzogen. In Frankreich wurde ihre Tochter Marian geboren. Vermutlich flohen sie erneut vor den deutschen Truppen – Frankreich wurde ab 22. Juni 1940 besetzt – dann nach Lissabon und von dort aus per Schiff in die USA. Portugal galt aufgrund seines offiziell neutralen Status als sicherer Hafen, wo Tausende auf die Passage nach Übersee warteten. Es war auch Anlaufstelle und Sammelbecken für verfolgte Intellektuelle, Schriftsteller und jüdische Flüchtlinge aus ganz Europa. Alfred starb 1989.
Quellen:
Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (https://www2.landesarchiv-bw.de): Wachbach, Jüdisches Familienbuch
Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (https://www2.landesarchiv-bw.de): Erhebungen über die jüdischen Einzelschicksale in alphabetischer Reihenfolge der Wohnorte: Wachbach.
Archiv Bad Mergentheim, Findbuch (www.stadtarchiv-bad-mergentheim.findbuch.net) , Ortsarchiv Wachbach: Wachbacher Einwohneradressbuch 1934/36, Einwohneradressbuch 1939
Alemannia Judica, Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum. https://www.alemannia-judaica.de/wachbach_synagoge.htm
Archiv Arolsen: https://collections.arolsen-archives.org/archive/5101196/?p=2&s=betty%20strauss&doc_id=5101196
Yad Vashem: Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de&s_id=&s_lastName=strauss&s_firstName=betty&s_place=wachbach&s_dateOfBirth=&cluster=true
Gedenkbuch, Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de978622
Fränkische Nachrichten: Gebührenden Platz gefunden (3.3.2015), www.fnweb.de/orte/niederstetten_artikel,-niederstetten-creglingen-gebuehrenden-platz-gefunden-_arid,634311.html
Informationen von Nachkommen der Kinder von Betty Strauß
Interviews mit Zeitzeugen aus Wachbach
Verlegedatum: 09. Mai 2022
Patenschaften: Maria und Josef Bopp
Autor: BL