David – Jette


Lage: Alte Frankenstraße 30 – Edelfingen


Vieles – allzu vieles – liegt im Hinblick auf Jette Davids Leben im Dunkeln.

Jette David wurde am 4. Juli 1861 in Korb, das heute zu Möckmühl gehört, geboren. Zu diesem Zeitpunkt war es erst gute dreißig Jahre her, dass die württembergischen Juden Nachnamen annehmen mussten. Jettes Großvater hatte sich für Ehrenberg entschieden.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war der Anteil der jüdischen Einwohner im Dorf sehr hoch (er erreichte seinen Höchststand im Jahr 1833, als 102 Personen jüdischen Glaubens waren) doch schon kurz nach Jettes Geburt, nämlich im Jahr 1864, lebten nur noch 54 Juden in der Gemeinde – immerhin noch knapp 9 Prozent.

Wer Jettes Mann war, ist heute ebenso unbekannt, wie die Gründe, weshalb sie sich in Edelfingen niederließ und auch Steuerunterlagen sind uns keine überliefert, was verwundert, da diese von allen Mergentheimer und damit auch Edelfinger jüdischen Gewerbetreibenden, der „Säuberung“ entgingen.

Von Jette Davids Leben existieren keine Bilder und keine Dokumente, was aber existiert, sind Erzählungen übers „Jettele“, die in der Familie ihrer früheren Nachbarn über die Generationen hinweg tradiert wurden. Diese vermitteln uns ein Bild, das mehr Lebendigkeit transportiert als es die gestellten Fotos jener Epoche oder Dokumente könnten.

Offensichtlich war Jette, die einen kleinen Krämer- und Hausierhandel betrieb, sehr fleißig und wenn ein neues Fass mit Heringen angeliefert wurde, packte sie die restlichen Heringe in ihre Schürze und bot sie der Nachbarin zum Kauf an.

Wie das Leben einer Jüdin in Edelfingen genau aussah, können wir nur ahnen. Allerdings war sie Teil einer großen Minderheit – bis 1933 waren 9 % aller Edelfinger jüdischen Glaubens. Und der Mittelpunkt des jüdischen Lebens lag hier in der Alten Frankenstraße oder Judengasse ab. Hier – nur wenige Häuser weiter – war die Synagoge, die Schule und die Mikwe.

Gleichwohl wir weder etwas von Jettes Ehemann noch von irgendwelchen Kindern wissen, lebte Jette David nicht alleine. Wann ihre in Homburg am Main geborene Nichte Rosa Lilienstrauß zu ihr zog, wissen wir nicht, doch lebten die beiden unverheirateten Frauen in einem gemeinsamen Haushalt.

Wie wohl die meisten Mitglieder der Edelfinger jüdischen Gemeinde hielt sich Jette David an die Shabbat-Regeln, die es ihr verboten am Shabbat Feuer zu machen (oder auch nur einen Lichtschalter zu betätigen). Um dennoch Feuer bzw. Licht zu haben, war sie auf die Unterstützung der Nachbarn angewiesen. Es war der Ehemann von Frau Köber, der als junger Bub, solche Handreichungen für Jette David und Rosa Lilienstrauß erledigte – er war ihr Shabbes-Goi.

Wie gesagt, bis 1933 war Jette David Teil einer großen Minderheit, doch die dann beginnenden Repressionen trieben immer mehr Edelfinger Juden in die Emigration.

Für die Besitzerin eines Krämerladens war vermutlich bereits der erste Judenboykott am 1. April 1933 ein Fanal und als 1938 die Synagoge in Edelfingen geschändet wurde und zeitgleich zahlreiche jüdische Männer misshandelt und nach Dachau gebracht wurden, wurde die Luft zum Atmen immer dünner. Vermutlich wendeten sich in dieser Zeit auch immer mehr Nachbarn und Bekannte von Jette David ab, denn aus solchen Erfahrungen resultierte die Aussage ihrem inzwischen erwachsen gewordenen Shabbes-Goi gegenüber. Als sie diesen in Uniform sah, äußerte sie die Befürchtung, dass er sie künftig wohl auch nicht mehr grüßen bzw. besuchen würde. Es ist ein kleiner Trost, dass es in diesem Fall nicht so war.

Anfang Dezember 1941 wurde Jette Davids Nichte Rosa Lilienstrauß deportiert und vermutlich kurze Zeit später, nämlich im Jahr 1942, musste Jette David in das jüdische Zwangsaltenheim Oberstotzingen bei Ulm umziehen.

„Von den Jüdischen Altenheimen in Württemberg ist bekannt, dass die Lebensumstände sozial und hygienisch mangelhaft waren. Die Heimbewohner hatten kaum Privatsphäre, da sie mit mehreren Personen in einem Zimmer untergebracht waren. Schlechte hygienische Bedingungen, knappe Lebensmittel, kein Anspruch auf neue Kleidung und unzureichende Beheizung waren an der Tagesordnung.“1

Lange hat sie dort nicht gewohnt, denn im August 1942 wurden sämtliche Jüdischen Altenheime in Württemberg aufgelöst und die Bewohner nach Stuttgart-Killesberg gebracht. Jette David wurde mit dem gleichen Transport wie die Mergentheimerin Jeanette Weißburger oder ihre früheren Nachbarn, das Ehepaar Bierig aus der Mittleren Straße 1, von Stuttgart aus am 22. August 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 20 Januar 1943 starb.


1 Wikipediaeintrag: Jüdische Altenheime im Nationalsozialismus, Zugriff: 7.5.2024


Verlegedatum: 06. Mai 2024
Patenschaften: Vorhanden
Autor:RH