Ledermann – Rosa


Lage: Härterichstraße 7 – Bad Mergentheim


Geburtsurkunde Rosa Ledermann

Rosa Ledermann wurde am 24. April 1877 in Maßbach (Landkreis Kissingen) geboren, wo ihr Vater Louis ein Geschäft für Herren- und Damenkonfektion, Schuhe und Kolonialwaren betrieb.
Rosa war die fünfte von insgesamt 12 Geschwistern, von denen vier bereits als Kind verstarben. Die acht Geschwister, die das Erwachsenenalter erreichten, erlebten alle noch den Nationalsozialismus. Nur einer davon, David, überlebte den Holocaust.


Das Familienleben der Ledermanns war vermutlich von Religiosität geprägt, denn als ihr Vater Louis 1904 starb, hieß es in einem Nachruf, dass er „30 Jahre […] als Baal tekoa (Schofarbläser an den Hohen Feiertagen) [fungierte] und wohl 45 Jahre […] an den hohen Feiertagen das Vorbeteramt“ versehen habe. [1]
1901 heiratete Rosa Max Ledermann aus dem nahegelegenen Oberlauringen. Gemeinsam mit ihm bekam sie in den Jahren 1902 und 1907 zwei Kinder, Bella (verh. Seldner; 1902-1980) und Luise (verh. Jacobsen; 1907-1985).
Wie die folgenden Jahre verliefen, kann nur vermutet werden. Ein überliefertes Foto der Textilhandlung Ledermann am Marktplatz in Künzelsau deutet aber auf wirtschaftlichen Erfolg hin. Das Geschäft befand sich in einem sehr stattlichen Gebäude in unmittelbarer Nähe zum Künzelsauer Rathaus.

Das Geschäft von Max Ledermann in Künzelsau. (Bild: Stadtarchiv Künzelsau)


1925 heiratete die ältere Tochter Bella Alfred Seldner und zog zu diesem nach Krautheim. Die jüngere Tochter Luise heiratete im Dezember 1934 Otto Jacobsen.
Das Jahr 1933 war für alle in Deutschland lebenden Juden ein Schicksalsjahr – Rosa Ledermann aber bekam die Brutalität der Nazis als eine der ersten unmittelbar zu spüren.

Traueranzeige vom 21. März 1933 aus dem „Kocher und Jagst Bote“

Am 20. März 1933 misshandelten Heilbronner SA-Männer gemeinsam mit Künzelsauer SA-Männern, Landesjägerbeamten und Stahlhelm-Mitgliedern Künzelsauer Juden aufs Brutalste. Max Ledermann, der Vorsteher der Synagogengemeinschaft, war nicht unter den Misshandelten, doch machte er sich in der Nacht auf, um den misshandelten Religionslehrer Julius Goldstein aufzusuchen. Was in der Folge geschah, ist nicht genau bekannt. Zwei Überlieferungen gibt es: Die wahrscheinlichere besagt, dass Ledermann vor dem Hause seines Freundes Goldsteins zusammengeschlagen wurde und in der Folge in dessen Wohnung einen Herzinfarkt erlitten habe. „Andere Quellen sagen, der Schlag habe den Synagogenvorstand getroffen, als er Julius Goldstein gesehen habe. Max Ledermann starb am 20. März. Er war der Erste, der dem Rassenwahn und dem Terror der Nazis zum Opfer fiel – nicht nur in Hohenlohe, sondern in ganz Württemberg.“ [2] Dass in der Traueranzeige die Gewalt, die seinen Tod verursachte, nicht erwähnt wird, weist auf die Atmosphäre der Angst hin, in der sich die Hinterbliebenen wiederfanden.


Angesichts dieses Ereignisses verwundert es nicht, dass Rosa Ledermann 1934 ihre Zelte in Künzelsau abbrach und nach Bad Mergentheim zog, wo sie die Geschäftsführung in der seit 1926 bestehenden Filiale der Schuhhandelskette Springmann übernahm. Besitzer des Unternehmens waren ihre Brüder David, Max und Leo Katzenberger.

Schuhhaus Springmann, Foto nach 1927 (Stadtarchiv Bad Mergentheim)

Spätestens in der Reichspogromnacht 1938 holte der Terror Rosa Ledermann auch in Bad Mergentheim ein. Die Tauberzeitung berichtet am 11.11.1938: „Die tiefe Empörung kam dann schließlich im Laufe der Nacht wie in zahlreichen Orten Deutschlands auch hier [in Bad Mergentheim] durch Demonstrationen gegen Juden und jüdische Geschäfte zur Entladung. […] Auch das Springmannsche Schuhgeschäft kam an die Reihe.“ [3]. Am 19. November 1938 berichtet die Tauber-Zeitung vom Wechsel zahlreicher jüdischer Geschäfte in deutsche Hand, unter anderem von Verkaufsverhandlungen über das Springmannsche Geschäft, am 7. Dezember 1938 konnte noch ein Springmannsches Werbeinserat ermittelt werden. [4]
Wann genau Rosa Ledermann infolge der Entwicklung nach Schweinfurt zu ihrer Schwester Recha (1983-1942) zog, wissen wir nicht. Das Gedenkbuch des Bundesarchivs führt auf, dass Rosa Ledermann am 26. April 1942 von Stuttgart aus nach Izbica deportiert wurde, wo sich ihre Spur verliert. Die Deportation über Stuttgart weist darauf hin, dass sie nicht von Schweinfurt sondern von Bad Mergentheim aus deportiert wurde. Von Rosas Geschwistern überlebte lediglich der Bruder David den Holocaust. Er überlebte Theresienstadt und wanderte 1946 nach Palästina aus.
Tochter Luise floh mit ihrem Mann bereits 1934 aus Deutschland nach Palästina. Tochter Bella erhielt gemeinsam mit ihrem Ehemann und den drei Kindern im April 1940 die Genehmigung Deutschland zu verlassen. Am 30. April 1940 – fast auf den Tag genau zwei Jahre vor der Deportation von Rosa Ledermann – nahm Familie Seldner in Genua das letzte Schiff Richtung Vereinigte Staaten.


Abbildungsnachweis:

Quellen:

[1] https://www.alemannia-judaica.de/massbach_synagoge.htm
[2] https://www.stimme.de/regional/hohenlohe/nachrichten/hohenloher-waren-die-ersten-opfer-art-1207588
[3] Tauberzeitung vom 11.11.1938, zitiert nach: https://www.schule-bw.de/faecher-und-schularten/gesellschaftswissenschaftliche-und-philosophische-faecher/landeskunde-landesgeschichte/module/bp_2016/nationalsozialismus_und_zweiter_weltkrieg/terror_und_verfolgung/biographisches-lernen-in-kl-9-am-bsp-judenverfolgung-in-creglingen-und-bad-mergentheim
[4] http://www.swp.de/bad_mergentheim/lokales/bad_mergentheim/Gebae (alemannia-judaica.de)

Verlegedatum: 19. Juni 2023 
Patenschaften: evangelische Kirchengemeinde Bad Mergentheim
Autor: RH