Bierig – Isaak und Ida


Lage: Mittlere Straße 1 – Edelfingen


Isaak Bierig wurde am 19.10.1869 als jüngstes von insgesamt 10 Geschwistern in Edelfingen geboren, von denen allerdings nur 6 die Kinderjahre überlebten. Seine Eltern waren der Edelfinger Viehhändler Jakob und seine Frau Rosa (geb. Schloss).

Ida (geb. Weil) wurde 30.5.1873 in Steinsfurt bei Sinsheim in einem vergleichbaren Milieu geboren. Sie war das siebte von insgesamt neun Kindern. Ihre Familie war mindestens seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in Steinsfurt wohnhaft und der Vater Karl Salomon Weil war im Viehhandel tätig war.

Am 8. Februar 1898 heirateten Ida und Isaak in Heilbronn und zogen anschließend nach Edelfingen. Im selben Jahr, am 18. Dezember, kam das einzige Kind Siegbert (Samuel) zur Welt. An der Namenswahl für den Sohn ist abzulesen, dass sich die beiden, obwohl jüdischen Glaubens, kulturell als Deutsche verstanden und es auch waren.

1918 ereilte das Ehepaar der schlimmste Schicksalsschlag, der Eltern treffen kann: am 22.5.1918 fiel der Sohn Siegbert in der Bourgogne an der Westfront durch eine Gasvergiftung.

Sein Name findet sich – zusammen mit den Namen von weiteren drei jüdischen und 40 christlichen Gefallen des Ersten Weltkriegs – auf dem Gefallenen-Denkmal, das die Gemeinde 1923 für die Soldaten errichten ließ.

Unter diesen 44 Namen steht zu lesen:

Ruht nun stolz ihr braven Helden
Die ihr fielt von Feindes Hand
Denn einst blüht aus eurem Grabe
Segen allem deutschen Land“

Angesichts der späteren Entrechtung und Ermordung der Eltern dieses „Helden“ muten diese Zeilen wie Hohn an.

Die nächsten Jahre brachten finanzielle Herausforderungen, denn zumindest in den Jahren von 1924 bis 1925 war Isaak aufgrund einer Herzerkrankung erwerbsunfähig und konnte sein Gewerbe, er war Vieh-, Roh- und Rauchwarenhändler, nicht länger betreiben. Die Eheleute waren in dieser Situation auf Unterstützung der Familie Schloss (Isaaks Cousin) angewiesen.

Spätestens ab 1933 kamen Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt dazu, als man Isaak beschuldigte, bei finanziellen Unregelmäßigkeiten, die die Familie Schloss betrafen, beteiligt gewesen zu sein. Letztendlich legte man Isaak zur Last, eine Brieftasche des Neffen bei sich versteckt zu haben.

Als das Ehepaar 1939 ins jüdische Altenheim Wilhelmsruhe in Heilbronn-Sontheim umzog, hatte es aufgrund der NS-Gesetzgebung bereits den nur noch in Rudimenten vorhandenen Gewerbebetrieb, bzw. Viehhandel verloren. In Heilbronn lebten sie nicht lange, denn bereits 1940 wurden die Altenheimbewohner ins Zwangsaltenheim Buttenhausen zwangsumgesiedelt.

Am 19. August 1942 – d.h. in der gleichen Aktion, in der auch Jette David und Jeanette Weißburger – deportiert wurden, wurden Ida und Isaak Bierig nach Stuttgart-Killesberg und von dort aus am 22. August nach Theresienstadt deportiert.

Eine Angehörige anderer an diesem Tag Deportierter schreibt: „Die letzte Demütigung war die Tatsache, dass sie im August 1942, als sie deportiert wurden, während ca. 2 Tagen und Nächten auf dem Killesberg hinter Stacheldraht, allen Blicken und Bemerkungen der Passanten preisgegeben, auf ihren Abtransport warten mussten. Wie eine Tierherde standen und lagen diese alten Menschen dort herum und gingen ohne jegliche Hoffnung oder Illusion ihrem schrecklichen Schicksal entgegen – auf offenen Lastwagen!“

In Theresienstadt blieb das Ehepaar nur kurz, denn bereits einen Monat später wurden sie ins Vernichtungslager Treblinka weiter deportiert, wo man beide ermordete.


Verlegedatum: 06. Mai 2024
Patenschaften: keine Vorhanden
Autor: RH