Mildenberg – Jenny

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Mildenberg – Jenny

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Jenny Mildenberg führte – ob gewollt oder ungewollt – das Leben einer eigenständigen Frau.
Sie kam am 6. Mai 1887 in Wohnbach, im Kreis Friedberg/Hessen als zweite Tochter von Maier und Grete Löb zur Welt. Das Dorf zählte zur Zeit ihrer Geburt nur etwas über 600 Einwohner und auch die jüdische Gemeinde war überschaubar klein – Sieben jüdische Familien lebten in der Gemeinde. Über den sozialen Hintergrund ihrer Familie ist heute nichts mehr bekannt, gut möglich ist allerdings, dass ihr Vater Händler war, da sechs der sieben jüdischen Familienvorstände Kaufleute waren.
Mit 24 Jahren heiratete sie am 13.2.1912 in Marburg den aus Vöhl stammenden Metzger Max Mildenberg (1887-1959), mit dem sie sich in Kassel niederließ. Bereits ein Jahr später, am 14. Februar 1913, wurden sie Eltern ihres Sohnes Leo [1] (1913-2001).
Die kommenden Jahre waren vermutlich nicht einfach, denn der Ehemann wurde bereits im August 1914 zum Kriegsdienst eingezogen. Ob Mutter und Sohn in den nächsten vier Jahren weiterhin in Nordhessen lebten, wissen wir nicht. Was wir allerdings wissen, ist, dass die nach dem Krieg wieder vereinte Familie 1919 nach Bad Mergentheim zog, wo die Eheleute am 5. November das „Hotel Restaurant Fechenbach“ am Gänsemarkt 8 übernahmen und es als das einzige koschere Restaurant in der Kurstadt führten.
Nachdem die Ehe 1922 in die Brüche ging und geschieden wurde, verpachtete Jenny Mildenberg die Gaststätte kurzzeitig vom Frühjahr 1923 bis zum Herbst 1924. Die Wochenzeitschrift “Der Israelit” schreibt zum Hotelbetrieb im Juli 1926: “Im Hotel Fechenbach, wo jüdische Gastfreundschaft die starre Hotelform sprengt, wird bei peinlichster ritueller Genauigkeit auf bestmögliche Verpflegung in schönster moderner Aufmachung gesehen.” [2]
1928 gab Jenny Mildenberg das Hotel endgültig auf und zog nach Schwäbisch Hall, wo ihr Sohn Leo im Jahr 1931 die Abiturprüfung ablegte. 1934 – der Sohn studierte mittlerweile in Dorpat (Estland) orientalische Sprachen – kehrte sie in ihr Haus am Gänsmarkt 8 zurück, übernahm die Leitung der Gaststätte allerdings nicht wieder.
Nachdem sie im März 1939 aufgrund der sich zunehmend radikalisierenden NS-Gesetzgebung gezwungen war, das Haus zu verkaufen, musste sie zum 1. Dezember in ein „Judenhaus“ in der Holzapfelgasse 20 ziehen. Am 30.5.1940 erfolgte ein weiterer Umzug in das „Judenhaus“ in der Ochsengasse 18.
Zwischen dem 20. und 25. November 1941 erhielt die mittlerweile 52-jährige die Aufforderung sich für die Deportation nach Riga bereit zu halten und vermutlich trat sie die erste Etappe der Deportation auch an und wurde mit den anderen Mergentheimern auf den Killesberg in Stuttgart verbracht. Ob Jenny Mildenberg in Stuttgart erkrankte oder die Fahrt bereits erkrankt angetreten hat, ist unbekannt, doch war ihr Gesundheitszustand so schlecht, dass sie nach Mergentheim zurückkehren durfte. Auf der Einwohnermeldekarte heißt es: „Polizeiliche Erlaubnis zur Rückkehr nach Bad Mergentheim zufolge Erlass der Gestapo Stuttgart vom 11.12.1941 am 9. 12. 1941. Schr. wurde an die Gestapo zurückgesandt durch M.“ [3]
Die Zurückstellung gewährte Jenny Mildenberg lediglich einen kurzen Aufschub. Am 13. Juli 1942 wurde sie von Stuttgart über München nach Auschwitz deportiert. Dass sie zu diesem Zeitpunkt immer noch krank war, belegt ein Brief des Mergentheimer Bürgermeisters vom 10. Juli. Dort steht: „Einzeltransport einer kranken Jüdin.“ Es ist anzunehmen, dass Jenny Mildenberg an diesem Tag nach Stuttgart gebracht wurde und von dort aus, drei Tage später mit einem Deportationszug mit 99 Juden nach Auschwitz weiter deportiert wurde. Dies bestätigt auch das Gedenkbuch des Bundesarchivs, das für sie als Deportationstermin den 13. Juli 1942 nennt.
Ein Todesdatum ist nicht bekannt, doch ist davon auszugehen, dass Jenny Mildenberg – nicht zuletzt aufgrund der Erkrankung – in Auschwitz unmittelbar nach der Ankunft „selektiert“ und ermordet wurde.


[1] Zu Leo Mildenberg siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Leo_Mildenberg (Zugriff am 25.11.2021)

[2] http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20193/Mergentheim%20Israelit%2022071926a.jpg (Zugriff am 25.11.2021)

[3] Diese Bemerkung lässt vermuten, dass Jenny Mildenberg zu einem Sammellager gebracht wurde, von wo sie vor der Deportation nach Bad Mergentheim zurück reisen durfte.